DOUG SPRADLEY: „WIR SIND VOLL IM SOLL“

Ein spielfreies Wochenende steht an für RASTA Vechta. Nach der Englischen Woche mit drei Siegen und einem Testspiel am Donnerstag bei easyCredit Basketball-Bundesligist BG Göttingen nutzt der Tabellenführer die Zeit zur Regeneration, steigt am Montag wieder ins Teamtraining ein. Während Kapitän Dirk Mädrich und Youngster Luc van Slooten am Sonntag noch eine Autogrammstunde beim neu eröffneten Therapiepunkt in der Pariser Straße geben, haben sich ihre Teamkollegen praktisch über das Land verteilt, besuchen Freunde und Verwandte. Coach Doug Spradley nimmt sich die Zeit für eine Zwischenbilanz – nach 22 Siegen in 24 Spielen.

Seit gut einem Jahr in Vechta - erfolgreich: RASTAs Coach Doug Spradley. Foto: Christian Becker.

RASTA Vechta: Doug Spradley, vor der Saison hatte der Klub als Ziel eine Platzierung unter den ersten Vier in der 2. Basketball-Bundesliga ProA nach der Regular Season ausgegeben. Dieser Auftrag wurde bereits erfüllt. Zufriedenstellend?

Doug Spradley: Auf jeden Fall sind wir voll im Soll. So wie es jetzt in der Tabelle aussieht, haben wir vor den Spielen am Samstagabend wohl sogar einen der zwei vorderen Plätze praktisch sicher. Wir wollten ja auf jeden Fall in der Hauptrunde unter die ersten Vier kommen. Auch und gerade um im Viertelfinale Heimrecht zu haben. Das bedeutet zwei weitere Heimspiele, die dem Klub wertvolle Einnahmen bringen. Das haben wir geschafft – und sogar noch mehr.

RASTA: Auch wurde vorgegeben, dass die in den Profikader aufgenommenen Talente Philipp Herkenhoff, Luc van Slooten und Radii Caisin weiter entwickelt werden sollen.

Spradley: Wir wollten sehen, wie weit sich Philipp in seinem ersten Jahr als Profi – also ohne die Doppelbelastung mit der Schule – entwickeln wird und wie viele Minuten er sich in einer ausgeglichenen, gut besetzten Mannschaft erarbeiten kann. Jetzt schon kann man sagen, dass Philipp gut gearbeitet hat. Er hat nicht nur körperlich zugelegt sondern mit bekommenen Chancen auch an Selbstvertrauen zugelegt. Mit fast 20 Minuten im Schnitt pro Partie beweist, dass er mehr als nur mithalten kann. Außerdem hat er alle 24 Spiele bestritten. Seine Entwicklung bei RASTA ist sehr positiv zu bewerten.

RASTA: Und wie steht es um Luc van Slooten, den mit 15 Jahren noch so jungen Youngster im Kader?
Spradley: Luc hatte eine sehr lange letzte Saison mit dem Erreichen des JBBL TOP4 plus Europameisterschaft mit der Junioren-Nationalmannschaft. Dann hat ihn im Sommer das Pfeiffersche Drüsenfieber leider für viele Wochen aus der Bahn geworfen, die Vorbereitung hat Luc dadurch komplett verpasst. Vor der Saison hatten wir also gehofft, dass wir Luc die ein oder andere Minute in den Spielen in der 2. Basketball-Bundesliga ProA geben können. Dabei stand die Spielpraxis in der ProA bei unserer Arbeit mit Luc nicht einmal im Vordergrund unserer Überlegungen im Sommer. Wir wollten ihn dabei unterstützen, sich als Basketballer und als Person weiterzuentwickeln. Er hat dann im Verlauf der bisherigen Saison immer wieder seine Chance bekommen. Jetzt steht er bei elf Einsätzen mit im Schnitt neun Minuten – mit 15 Jahren macht er seine Sache wirklich gut.

RASTA: Am letzten Wochenende gelangen Luc zum zweiten Mal Punkte aus dem Spiel heraus – per wunderschönem Reverse-Layup.

Spradley: In Luc steckt jede Menge Potential. Das hat er bei der Aktion auch gleich einmal gezeigt. Es hat also seinen guten Grund, dass wir wertvolle Minuten von anderen Spielern, von Veteranen, abziehen, und sie ihm geben. Denn wir wollen, dass er die Chance bekommt, sich zu beweisen. So eine Aktion wie gegen Kirchheim zeigt, dass er langsam ein bisschen mehr Selbstbewusstsein in unserer Offense entwickelt. In der Verteidigung hat er es bisher sowieso solide gemacht, heißt: für uns ist es kein Nachteil, wenn er als 15 Jähriger für uns auf dem Parkett steht. Denn er hat schon einen Körper und eine Athletik, die sich sehen lassen kann. Wir werden sehen, wie weit wir Luc in dieser Saison noch entwickeln können. Ich freue mich jedenfalls für ihn, wenn er seine Minuten bekommt.

RASTA: Radii Caisin war ebenso wie Luc van Slooten Leistungsträger im JBBL-Team der YOUNG RASTA DRAGONS, wurde ebenfalls in den Profi-Kader aufgenommen. Auch er ist gerade einmal 16 Jahre jung.
Spradley: Der Plan war, dass Radii am ProA-Spieltag in unserem Kader steht, wenn es sich zeitlich einrichten lässt, es also keine Überschneidungen mit unserem Farmteam oder mit dem NBBL-Team gibt. Er trainiert jeden Tag am Abend mit uns, macht ebenso Fortschritte. Und in der 1. Regionalliga macht er gute Spiele, in der NBBL legt er regelmäßig 15 bis 20 Punkte auf. Er ist auch auf einem guten Weg. Und wie gegen Kirchheim gesehen, setzen wir ihn auch ein, wenn sich die Möglichkeit ergibt.

RASTA: Somit ist auch das zweite Saisonziel bereits erreicht?

Spradley: Wir stehen ganz oben in der Tabelle mit einem 18 Jährigen, der 20 Minuten bekommt und einem 15 Jährigen, der fast zehn Minuten im Schnitt spielt. Dieser Spagat zwischen sportlichem Erfolg und Entwicklung von Talenten ist uns bisher also möglich gewesen.

RASTA: Verteilung von Minuten ist im harten Business Profi-Basketball immer ein Thema. Es geht um Statistiken, um Anschlussverträge.

Spradley: Es wäre eine Utopie, zu glauben, dass man als Trainer alle zwölf in den Profikader aufgenommenen Spieler wunschlos glücklich machen kann. Es war daher sehr interessant zu beobachten, wie die Mannschaft auf die in den letzten Wochen stärkere Integration von Luc reagiert. Schließlich bekommt er für einen 15 Jährigen sehr viele Minuten, die ein Veteran dann ‚hergeben’ muss. Jetzt kann ich sagen, dass es sehr gut ist, wie die Mannschaft ihn als Jüngsten akzeptiert hat, mit ihm zusammenspielt und ihn respektiert. Es spricht für den Charakter eines jeden der Veteranen, dass unsere Talente voll eingebunden sind und sich so entwickeln können.

RASTA: Der Charakter der Spieler soll auch im Sommer bei der Rekrutierung ein wesentlicher Faktor gewesen sein.

Spradley: Ganz sicher war das so. Wir wollten wissen, wie unsere Kandidaten ticken, wie sie in stressigen Situationen reagieren. Und wir wollten Spieler unter Vertrag nehmen, die schon – egal in welcher Liga – erfolgreich gespielt haben. So wollten wir das Risiko minimieren, dass bei der Zusammenstellung eines neuen Teams immer da ist. Denn du kannst nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass – auch wenn der Spieler das im Vorfeld behauptet – jeder mit der Rolle, die ihm zugedacht ist oder die sich für ihn herauskristallisiert, klarkommt. Jedenfalls bin ich sehr glücklich, dass in dieser Mannschaft das Rollenverständnis sehr ausgereift ist, jeder hat seinen Platz gefunden, seine Rolle akzeptiert. Man darf nicht vergessen, dass wir jetzt praktisch mit elf Mann in der Rotation spielen. Für einen Coach ist es da nicht immer einfach, jedem ausrechend Spielzeit zu geben. Bei uns werden die Minuten sehr ausgeglichen verteilt. Und ich glaube, dass uns das auch stark macht.

RASTA: War nach der Zusammenstellung des Kaders von einem bisher so erfolgreichen Saisonverlauf mit 22 Siegen in 24 Spielen zu rechnen?

Spradley: Wenn eine Mannschaft komplett neu zusammengestellt wird, weiß man erst einmal nicht, wie und ob das überhaupt alles zusammenpasst. In unserer Vorbereitung fehlten dann zum einen Dirk Mädrich wegen einer hartnäckigen Verletzung und dann auch noch Luc van Slooten. Dabei ist es gerade in der Pre-Season wichtig, alle Mann an Bord zu haben. Zum einen, um unser Spielsystem zu verinnerlichen. Zum anderen, um viele Akteure im Training zu haben, damit wir überhaupt Systeme laufen können und auch kurze Pausen geben können. Mitte September mussten wir dann Jannik Freese dazu holen. Und so stellten sich vor dem ersten Pflichtspiel schon viele Fragen bezüglich des Saisonverlaufes. Zwar hatten wir sogar ohne Dirk, ohne Jannik und auch ohne Luc eine ordentliche Vorbereitung gespielt. Aber es sind dann eben auch nur Testspiele. Und selbst wenn du die alle gewinnst, garantiert dir das keine Siege in der Regular Season. In der Phase hat man also immer diese Frage im Hinterkopf: Wie fügt man alle Puzzleteile so zusammen, dass am Ende ein schönes Bild dabei herauskommt?

RASTA: Angesichts der Tabellenführung ist ein schönes Motiv dabei herausgekommen. Gibt es denn trotzdem etwas, was dir am bisherigen Saisonverlauf nicht passt?

Spradley: Also dass wir in Trier in allerletzter Sekunde durch den Dreier von Jermaine Bucknor verloren haben, ärgert mich tatsächlich jetzt noch.

RASTA: Könnte sich in diesen etwas ruhigeren Tagen und angesichts der Ausgangsposition für die Playoffs Selbstzufriedenheit im Kader breit machen?

Spradley: Auch die Spieler wissen, dass wir einen der ersten zwei Plätze praktisch sicher haben. Aber ich sehe, dass die Mannschaft immer noch hart arbeitet, dass sie sehr konzentriert ist, sie hat immer noch Lust. Und dass ist ganz wichtig in einer Phase, in der gerade das Umfeld schon sehr auf die Playoffs schielt. Noch haben wir sechs Spiele in der Regular Season zu absolvieren – das Team weiß das.

RASTA: Andere Teams in der Liga haben vor dem Transferschluss am 31. Januar noch einmal an ihren Kader gearbeitet. Die Hamburg Towers etwa haben Jannik Freese unter Vertrag genommen, den Crailsheim Merlins hat sich Philipp Neumann angeschlossen. Im Gegensatz zu den Vorjahren war es bei RASTA komplett ruhig an dieser Front.

Spradley: Ich glaube, die Mannschaft ist gut intakt. Man kann immer an irgendwelchen Schrauben drehen. Die Frage nach der Notwendigkeit muss aber gestellt werden. Denn die Gefahr besteht ja, dass du die Schraube überdrehst und dadurch alles kaputt machst „Don’t fix something that is not broken“, heiß es so schön in meiner Heimat. Natürlich kann ich nicht in die Zukunft schauen, kann nicht sagen, ob alle gesund durch den Rest der Saison kommen. Man könnte so eine Situation natürlich absichern, indem man ein oder zwei Spieler dazu verpflichtet als Backups. Aber: Ist das notwendig? Zum jetzigen Zeitpunkt bzw. zum Zeitpunkt als wir noch nachverpflichten konnten, war meine Antwort: Nein. Wir stehen nicht ohne Grund da, wo wir jetzt stehen. Wir sind tief besetzt, wir haben erfahrene Spieler, einen guten Mix aus jungen und älteren Spielern.

RASTA: Mit dem Spiel am Freitag gegen die PS Karlsruhe LIONS beginnt der Endspurt. Vier der sechs Spiele der Regular Season finden an der Pariser Straße statt. Dazu mindestens Spiel 1 und Spiel 3 im Playoff-Viertelfinale. Heimweh sollte in den nächsten Wochen also nicht aufkommen.

Spradley: Zuhause zu spielen ist ein großer Vorteil – für jeden Klub in der Liga. Denn zum einen hast du vielmehr Fans hinter dir, zum anderen entfallen stressige Bustouren. Von Vechta aus sind nun einmal nur die wenigsten Gegner in der 2. Basketball-Bundesliga ProA als Tagesfahrt zu erreichen. Und mit dem Support im RASTA Dome haben wir einen großen Vorteil. Die Fans machen einen tollen Job – übrigens auch auswärts! Dass wir bisher so eine Saison spielen ist auch ihr Verdienst, denn die Spieler sind stolz darauf, vor so einer Kulisse spielen zu dürfen und wir alle schätzen diese Unterstützung sehr.

RASTA: Wir sprachen über erreichte Saisonziele. Ist es an der Zeit, neue zu formulieren?

Spradley: Nein, das denke ich nicht. Wir als Coaches haben jetzt die Aufgabe, die Spieler vor den ersehnten Playoffs bei Laune zu halten und ihnen genauso klar zu machen, dass wir noch nicht unser absolutes Top-Niveau erreicht haben. In manchen Spielen sind wir nahe dran. Aber ganz oben waren wir noch nicht. Wenn wir auf dieses Niveau kommen, denke ich, haben wir eine gute Chance auf weitere Erfolge in dieser Saison.

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