Protokoll einer Rückreise (OV-Bericht vom 22.02.10)

Wenn ein Sportredakteur eine Reise macht, dann kann er was erleben - so geschehen am zurückliegenden Freitag, als OV-Mitarbeiter Carsten Boning Insasse des RASTA-Buses nach Leverkusen war. Hier seine Einblicke in den nächtlichen Ausblick auf die A1.

Pokern, surfen, lesen - und kein Bier zum Burger
Auszeit in Leverkusen: Patrick Elzie im Gespräch mit seinem Team.	Foto: Fleschenberg
Auszeit in Leverkusen: Patrick Elzie im Gespräch mit seinem Team. Foto: Fleschenberg


Leverkusen - Es ist 22.50 Uhr am Freitagabend im Sportpark Leverkusen an der Bismarckstraße. Der Schriftzug "BayArena" überstrahlt den Vorplatz des Fußballstadions. Auf der anderen Straßenseite, am Nebeneingang der altehrwürdigen Wilhelm-Dopatka-Halle, wartet der Teambus von Rasta Vechta auf die letzten Passagiere. Es sind hungrige Passagiere, die sich noch schnell beim Fast-Food-Restaurant um die Ecke mit Pommes, McNuggets und Cheeseburgern eindecken. 23.00 Uhr, Abfahrt, Beginn der letzten Etappe einer völlig verkorksten Dienstreise für die Basketballer von Rasta Vechta in der 2. Bundesliga ProB. Im Gepäck haben sie eine 96:110-Pleite bei den Bayer Giants Leverkusen.
Trainer Patrick Elzie sitzt wie immer hinter dem Busfahrer. In Höhe der A 1-Ausfahrt "Schloß Burg/Wermelskirchen" wirft er einen Blick auf die Statistik und schüttelt den Kopf über Leverkusens Traumquoten, über Rastas Defizit bei den Rebounds und natürlich die 110 Gegenpunkte. "Wir sind wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde", sagt Elzie. Rasta und das sportlich-seltsame Doppelleben - mal superstark wie zuvor gegen Würzburg, mal fürchterlich wie jetzt in Leverkusen.
Drei Reihen hinter Elzie hat Gintaras Grigisas Platz genommen. Er sucht Ablenkung in einem Buch. Titel: "Konditionstraining am Beispiel Basketball." Sein Abendessen kommt aus der Tupperdose. Käsebrötchen, dazu Tomaten. Der Litauer sagt: "Kein Fast Food in der Fastenzeit." Auf Burger verzichtet der Kapitän, aber nicht auf klare Worte: "Wir haben nicht als Mannschaft gespielt und uns selbst aus dem Spiel genommen." Darryl Dora sieht es genauso: "Wir sind nicht ans Limit gegangen." Der US-Center hat die letzte Reihe im Bus für sich alleine. Auf seinem Laptop surft er im Internet, er fragt nach dem nächsten Gegner der Artland Dragons und schaut eine Basketball-DVD. Zur eigenen Pleite im Schatten des Autobahnkreuzes Leverkusen, wo die A 1 auf die A 3 trifft, meint der 24-Jährige: "Unsere Verteidigung war zu weich. Ein Horror, ein grausamer Abend." Kurz hinter Dortmund zieht sich Dora die Kapuze seines "Texas Tech University"-Pullis über den Kopf und verteilt seine 2,06 Meter auf fünf Sitzplätze. Ohrstöpsel rein, iPod an, Rap-Songs, gute Nacht.
Sechs Reihen vor ihm ist von Nachtruhe keine Rede. Chris Hupe, Marek Pazur, Axel Jarchow und Athletiktrainer Frank Hamann pokern. Über das 96:110 wird nicht gesprochen. Die Zeit vergeht. Check, Call, Raise, Flop, Drilling, Straße, Flush - hier sind Experten am Werk. Jarchow avanciert zum Poker-König, der Pechvogel der Nacht verbucht indes ein Minus von 40 Euro. Auf Bier hat keiner Durst, die beiden Kisten im Kofferraum des Busses werden nicht angerührt. Kurz hinter Münster steigt Chris Thompson in die Pokerrunde ein, der trotz seiner Magenschmerzen gute Laune verbreitet und ein Lied von Robbie Williams trällert. Zum Spiel hatte sich der US-Boy bereits am Ort der Schmach geäußert: "Wir waren nicht fokussiert genug. Das ist schwer zu erklären nach dem guten Spiel gegen Würzburg."
Die Plätze von Joe Buck und Markus Hallgrimson bleiben auf der Rückfahrt frei. Buck ist auf dem Weg nach Aachen, um eine alte Highschool-Freundin zu besuchen. Hallgrimsons Ziel ist Langen, dort ist der Amerikaner mit deutschem Pass geboren, dort lebt seine Familie. Chauffeur ist Vater Paul Hallgrimson, der 1965 für Bayer gespielt hat. Das Familientreffen in Leverkusen komplettierte Bruder Daniel Hallgrimson, der unter Elzie Profi in Langen war und jetzt als Musiker mit Stars wie Justin Timberlake, George Michael, Britney Spears oder Silbermond zusammenarbeitet. Von ihm stammt auch der Pro7-Song "We love to entertain you". Großes Entertainment bot Rasta nicht. "Wir sind zusammengebrochen. Jeder hat nur für sich gekämpft, wir haben uns gegenseitig runtergezogen", sagt Markus Hallgrimson. Frust pur. In der Halle, im Auto und im Bus nachts auf der A 1.

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