Wenn die Spülmaschine zum Zungenbrecher wird (OV - 18.11.2010)

Vechta (Von Carsten Boning) - Es ist 12.00 Uhr in Vechta. High Noon in der Straße Moorgärten. Im Wohnzimmer von Werner Theile wird es ernst. Die vier Gäste, die am großen Tisch ihre Bücher und Blöcke ausgebreitet haben, lauschen den Ausführungen. "Der Stuhl, die Person, das Auto - jedes Wort muss mit Artikel und Geschlecht gelernt werden, daran führt kein Weg vorbei", sagt Werner Theile.

 

 Der 59-Jährige erklärt anschließend den Unterschied zwischen bestimmten und unbestimmten Artikeln. Der, die, das, ein, eine, ein, kein, keine, männlich, weiblich, sächlich, negativ - ein Wort jagt das nächste, gefolgt von Erklärungen und Beispielen.

Den Zuhörern mit den fragenden Blicken dämmert es: deutsche Sprache, schwere Sprache. Die Zuhörer - das sind Matthew Eric Reid, Marcus King-Stockton, Ryan Darling und Christopher Thompson. Die vier amerikanischen Basketball-Profis von Rasta Vechta werden von Werner "Bobby" Theile in die Geheimnisse der deutschen Sprache eingeweiht. Zweimal pro Woche - montags und mittwochs - läuft das US-Quartett beim ehemaligen Grund- und Hauptschullehrer auf. "11.30 - 12.45 Uhr. German Lesson", steht auf dem Wochenplan der vier Korbjäger aus Las Vegas, Denver, Tehachapi/Kalifornien und Starke/Florida.

"Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Amerikaner die deutsche Sprache lernen und sich so besser integrieren. Für ein gutes soziales Umfeld ist das ein wichtiger Baustein. Es soll nicht so sein, dass die Jungs in Vechta durch die Gegend laufen und sich nicht verständigen können", sagt Rastas 2. Vorsitzender Werner Themann. Für die Amerikaner ist der Deutsch-Kurs kostenlos - und Pflicht. "Anwesenheit und Engagement sind wichtig", sagt Rastas Trainer Patrick Elzie. "Deutsch ist keine einfache Sprache. Aber es ist gut, dass die Spieler etwas für den Kopf tun und nicht nur auf dem Zimmer hocken und den Fernseher laufen lassen." Elzie, selbst Amerikaner, erinnert sich noch genau an seinen Karrierestart. 1984 kam er von New York nach Gießen. Von einem Uni-Professor bekam er vier Stunden Deutsch-Unterricht pro Woche. "Es hat sich gelohnt. Ich kann den Jungs nur empfehlen, das richtig durchzuziehen."

Zurück in Theiles Wohnzimmer: Kurze Sätze werden übersetzt. Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch. Wörter wie Spülmaschine oder Fernsehapparat werden zum Zungenbrecher. "Fernsehapparat - was für ein Wort. Wir brauchen nur zwei Buchstaben: TV", staunt Marcus King-Stockton. "Es ist einfacher, den Ball aus zehn Metern in den Korb zu werfen", schmunzelt Ryan Darling, der sich auf seinem DIN-A4-Block eifrig Notizen macht. Kurz danach ist er selbst an der Reihe. "Die Lampe, eine Lampe", sagt er. "Keine Lampe", schickt Darling hinterher und zeigt dabei auf Thompson. Gelächter in der Runde. "Es soll auch locker abgehen. Ich glaub´, den Jungs macht es Spaß. Wir fangen ja auch mit ganz elementaren Dingen an", sagt Theile. Der Frührentner, der einst der erste Basketball-Trainer von Rasta Vechta war, spricht von "spezifischen Schwierigkeiten" und "spielerischen Übungen". Seine großen Schüler haben diverse Materialien erhalten, um die Unterrichtsstunden zu Hause vor- und nachzubereiten. Thompson und Reid spielen seit 2006 bzw. 2007 in Deutschland, sie haben auch deutsche Freundinnen, doch mit der deutschen Sprache hatten sie bislang nicht viel am Hut. Das soll sich nun ändern. "Das ist eine Herausforderung, es ist eine schwere Sprache", sagt Reid. Thompson ergänzt: "Im Alltag öffnen sich mehr Türen, wenn man die Sprache etwas kann."

Am Samstag (20.00 Uhr) sind Rastas Amerikaner dann wieder in ihrem Element. Gegner in der 2. Bundesliga ProB Nord ist Lok Bernau. Und vielleicht kommen dann am Montag drei neue Vokabeln inklusive Artikel hinzu: das Heimspiel, der Sieg und die Tabellenführung.


 

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